Welcome to my World

Diese Geschichte hab ich vor ein paar Wochen geschrieben. Es ist erst die zweite richtige Kurzgeschichte, die ich zu Papier gebracht habe, aber ich hoffe sie gefällt euch ein kleines bisschen.

Wieder bei mir

Erster Sonntag
Wieder stand ich an deinem Grab. Sah die vereisten Blumen, doch dann verschwamm das Bild, denn Tränen stiegen in mir auf. Ich schluckte sie runter, denn bald würde es vorbei sein. In drei Wochen würdest du wieder hier sein. Wieder bei mir. Ich würde deine Stimme hören und deine Nähe spüren, wie ich es mir die ganzen letzten Monate gewünscht hatte. Seid dem Unfall. Seid du gehen musstest.
Aber nur noch drei Wochen.

Zweiter Sonntag
Mutter hüpfte durch das Wohnzimmer und dekorierte alles, was man dekorieren konnte.
„Nur noch zwei Wochen, dann ist Weihnachten“, flötete sie und brachte mich damit zum Lächeln. Also nur noch zwei Wochen und ich hatte dich wieder. Der Schmerz und die Trauer würden vergessen sein. Du würdest wieder da sein und ich wünschte mir den Weihnachtstag sehnlicher herbei, als je zuvor.

Dritter Sonntag
Nur noch eine Woche. Eine einzige Woche.
Ich hatte es niemandem erzählt, dass du wieder kommen würdest. Nicht mal meiner Mutter. Sie machte sich eh schon Sorgen, wie ich mich an deinem Todestag verhalten würde. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass es der Tag deiner Rückkehr war.
Und wenn du doch nicht wieder kommst, dachte ich und schob den Gedanken sofort beiseite. Du würdest wieder kommen. Du musstest wieder kommen, denn nur der Gedanke daran hielt mich noch am Leben.
Alle sagte es. Die Bücher, Gedichte, Filme, Kirche. Alle sagten, dass einen die Toten nie ganz verlassen, sondern dass sie bleiben oder wiederkommen.
Deshalb wartete ich, doch du kamst nie, bis mir klar wurde, dass du erst später kommen würdest. An deinem Todestag. Da würdest du wieder bei mir sein. Und diesmal für immer.

Vierter Sonntag
Endlich war es so weit.
Ich saß auf dem Rücksitz und fuhr zusammen mit meiner Mutter von der Kirche nach Hause. Genau wie vor einem Jahr, nur dass du damals noch neben mir gesessen hattest.
Und da vorne war sie. Die Ecke mit dem Kreuz, auf dem dein Name stand. Mein Herz schlug schneller und ich wartete. Wartete auf dich. Du konntest nur noch wenige Sekunden entfernt sein.
Das Auto bog um die Ecke. Ich wusste nicht, was passieren würde, aber das etwas passieren würde, dessen war ich mir so sicher.
Nichts. Nichts geschah. Alles war wie immer und du schienst nur noch weiter von mir entfernt als je zuvor.
Aber warum? Wieso kamst du nicht? Wolltest du nicht kommen? Liebtest du mich nicht mehr? Was hatte ich falsch gemacht?
Oder war es anders? War es schlimmer? Konntest du nicht kommen? Hatten sie alle gelogen? Die Bücher, Gedichte, Filme und die Kirche?
Nein, dachte ich. Nein wollte ich schreien, doch ich konnte nicht. Alles war verloren. Du würdest nie wieder bei mir sein. Nie wieder. Das wurde mir jetzt klar und es zerriss mich innerlich.
Dein Geist war nicht zurückgekehrt, aber von nun an würde ich einer sein. Ein Geist. Lustlos und Leer.
Du konntest nicht zu mir kommen, aber vielleicht konnte ich dir folgen...

© Marit-Inga Suel